Serravalle: Kanon im Seelendorf

Alexander Trust, den 6. September 2006
Mühle in Serravalle
Mühle in Serravalle, Foto: Nerjip via Wikimedia (CC BY-SA 3.0).

San Marino, Serravalle. Man kommt sich vor wie bei Asterix und den Galliern. Es gibt einen Zwergstaat, der allen anderen Widerstand leistet. Etwas mehr als 90 Minuten Spielzeit, eine Halbzeitpause und das Einlaufen nebst Nationalhymnen vom Polizeiorchester standen auf dem Programm öffentlich-rechtlicher Fernsehzuschauer. Die hochsympathische Trias Kerner, Klopp und Meyer (KKM) begleitete das ZDF-Publikum ein Weile vor und nach dem Spiel, sowie in der Halbzeitpause weniger Heute Journal mit Marietta Slomka.

Angeheitzt durch KKM beginnt das wohnzimmerliche Spektakel. Zunächst sieht es jedoch nicht danach aus. Bela, seines Zeichens ZDF-Moderator, wird zu Beginn und über die gesamte Spielzeit hinaus nicht müde, dem Zuschauer einen Vorsprung durch Information zu verschaffen. Der Kommentator nennt Sonnenstudiobesitzer, Namensvetter und zieht schließlich sogar Vergleiche mit Veteranen des deutschen Fußballs in Sachen erzielte Torschuss-Quantität. 9000 Seelen leben laut Bela in Serravalle, im Fußballstadion waren mehr als die Hälfte. Aber halt, etliche von ihnen torkelten aus Rimini und Umgebung nach Serravalle, immerhin sind es nur gute 12 Kilometer Luftlinie. Gut die Hälfte der Stadionbesucher sollen Belas Angaben zufolge deutsche Staatsbürger gewesen sein. Diese stimmten immer und immer wieder die deutsche Nationalhymne an. Ob gewollt oder nicht gekonnt, im Ergebnis kam ein Kanon dabei heraus.

Halbzeitpause mit Informationsvorsprung

In der Halbzeitpause tat das ZDF, was das öffentlich-rechtliche Fernsehen immer in den Halbzeitpausen tut: man erhöhte den Vorsprung durch Information. Während bei privaten die Werbung mit Vorsprung durch Technik gaga macht, übernehmen das beim getarnt-subtilen Bezahlfernsehen die NachrichtensprecherInnen. Mariettchen wird auch immer jünger – ohne Ringe unter den Augen. Ob das immer schon so gewesen ist? Botox lässt augenscheinlich grüßen.

Anstoß zur zweiten Hälfte: das türkische Schiedsrichtergespann macht einen guten Job: zwei gelbe Karten in der zweiten Hälfte – gerecht verteilt, selbstredend. Die zweite Gelbe wird in der 79ten Minute vergeben. Bis hierhin hat Simoncini, der Torhüter der San Mariner, bereits 11 Mal hinter sich greifen können. Wobei: Ein Mal nahm Klose dem Keeper die Arbeit in der ersten Hälfte ab. Er trug den Ball selbst wieder gen Mittelkreis. Von Pizzabäckern jedenfalls keine Spur, als dann in der 87ten und 90ten Minute noch zwei weitere Treffer fielen.

Fazit

Keine Flirts, pardon, Interviews dieses Mal mit Moni. Die arbeitet bekanntlich für die Konkurrenz und wird sogar aus demselben Geldhahn gespeist. Wie das zusammengeht? Nun, vielleicht weiß Doping-Ulle aus dem Nähkästchen zu plaudern. Gerade erst wurde der von der Gehaltsliste des Mainzer Konkurrenzsenders gestrichen.

Gegen Ende baut das Zweite deutsche Fernsehen seinen Vorsprung durch Technik, pardon, Information noch weiter aus: Bevor die anderen Spiele der EM-Qualifikation an diesem Tag in der Zusammenfassung gezeigt werden, kriegt 45 Minuten lang eine Dokumentation über Indien die Chance – ja, wozu? Den Staat der Kasten nicht gänzlich über die WM 2010 in Südafrika in Vergessenheit geraten zu lassen natürlich. Der Zuschauer ist nicht todtraurig.

Immerhin, Jens Lehmann bewies Fairness, weil er seinen Tortrieb Gott sei Dank unterdrücken konnte. Er schoss nicht den einzigen Elfmeter für Deutschland und hielt dabei sogar seinen eigenen Kasten sauber. Kunststück! Und trotzdem: 6 Punkte auf dem Qualifikationskonto. Bis im November 2007 wird die Nationalelf noch fleißig sammeln und dann die Prämie einlösen: EM-Endrunde in Kleindeutschland, pardon Österreich und der Schweiz.


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