127.000 SEOs und immer dieselben Fehler: Von Traffic, Nischen und Erfolg
Alexander Trust, den 7. August 2012Wenn Suchmaschinenoptimierer regelmäßig von Nischen, Traffic und Erfolg sprechen – am Ende des Tages noch von Geld verdienen -, dann machen die meisten davon „in meinen Augen“ immer den gleichen Fehler.
Ich möchte einen neuen Beitrag von Timo Kühne auf TrafficRoyal zum Anlass nehmen, ein Statement zu formulieren, und mich und meine Position zu erklären. Ich glaube nicht, dass die Nische das Huhn ist, dass Traffic notwendigerweise das Ei des Erfolges, und SEOs sich immer bewusst sind, wie ihre Beiträge auf Fachfremde wirken.
Als Anfang der 1990er das Internet öffentlichkeitswirksamer wurde, um nicht zu sagen „flügge“, war es für viele ein Hobby, Webseiten zu erstellen. Einige machten ihr Hobby zum Beruf und wurden Webdesigner. Manche hätten dies besser nicht getan.
Mit der Einführung von Suchmaschinen und deren Rankingfaktoren fingen Leute an, sich ein neues Hobby zu suchen: die Optimierung von Webseiten, damit diese in den Suchmaschinen besser gefunden werden. Es gibt in diesem Metier wieder Leute, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, und das besser nicht getan hätten. Damit möchte ich Timo Kühne ausdrücklich ausnehmen, da ich bis auf diesen einen Beitrag noch überhaupt nichts von ihm gelesen habe und gar nicht beurteilen kann, ob er der prototypische Suchmaschinenoptimierer ist oder nicht.
Mehr Traffic = mehr Umsatz?
Timo schreibt, dass Webseiten-Betreiber zusehen sollten, mehr Traffic zu erzeugen, damit sie mehr Umsatz generieren. Er erklärt zunächst richtigerweise, dass es gänzlich ohne Besucher nicht möglich ist überhaupt Geld mit einer Webseite zu verdienen.
Schon an dieser Stelle könnte man eine Diskussion anfangen: Was genau bedeutet Besucher? Immerhin kann man ab dem ersten Besucher Geld verdienen im Internet. Je nachdem welches Geschäftsmodell man verfolgt, benötigt man gar nicht viele Besucher, um sein Vorhaben zu monetarisieren.
Bedeutet mehr Traffic in jedem Fall mehr Umsatz? Nein. Es kommt auf das Geschäftsmodell an, das man zugrunde legt. Gehen wir beispielhaft von einer gewöhnlichen Webseite aus, für die der Webseiten-Betreiber Inhalte produziert und Lesern zur Verfügung stellt. In diesem Kontext wird der Betreiber versuchen, seine Inhalte in der Form zu Geld zu machen, dass er über Werbung Einnahmen zu erzielen versucht. Gerade in diesem Fall kann man anhand der Auswertung seiner Besucherstatistiken und der Werbeeinnahmen relativ schnell feststellen, dass es keine eindeutige Zuordnung zwischen Traffic und Umsatz gibt. Es gibt Tage, an denen hat man vielleicht 5000 Besucher und erwirtschaftet dabei 50€. Es gibt indes Tage, an denen hat man 10 000 Besucher und unterm Strich nur 25€ Werbeeinnahmen. Das sind zugegeben fiktive Zahlen, doch im Konkreten könnte ich sie anhand unserer Besucherstatistiken und den an den jeweiligen Tagen erzielten Werbeeinnahmen prima belegen. Es ist also eine irrige Annahme, dass mehr Traffic immer gleichbedeutend sei mit mehr Umsatz.
Werbung ist nicht kontrollierbar
Speziell bei Werbung neben oder zwischen dem Content kommt es heutzutage nicht nur darauf an, dass man sie hat. Mit AdSense gibt es z. B. eine kontextsensitive Form von Banner-Werbung für Webseiten, die sehr beliebt ist und von vielen eingesetzt wird. Während vor ein paar Jahren die Verhältnisse relativ eindeutig waren, dass man Inhalte produzierte und gleichzeitig themenrelevante Werbung eingeblendet bekam, so kommt es heute mehr denn je auf den Leser und sein Surfverhalten an.
Remarketing
Ein Fall, den jeder selbst überprüfen kann, ist der Kauf in einem Onlineshop wie Amazon. Schließt man diesen nicht ab, und besucht danach thematisch völlig fremde Webseiten, kann es einem passieren, dass man Werbung für Turnschuhe auf einer Webseite für klassische Musik angezeigt bekommt, oder die Bohrmaschine auf einer Webseite für Lyrik. Da kann der Content-Anbieter die AdSense-Tags im Quellcode um seinen Text herum drapiert haben, und es nützt dennoch nichts.
Manche Nutzer werden so an ihren Kauf erinnert, klicken auf die Anzeige. Andere hingegen sind von der ständig wiederkehrenden Werbung genervt und unterlassen es. In letzterem Fall würde das für den Webseiten-Betreiber bedeuten, dass er keine Einnahmen erzielt.
Ad-Blocker
Nicht vergessen sollte man außerdem diejenigen Surfer, die einen Ad-Blocker verwenden. Je nachdem, zu welchem Thema man Inhalte produziert, gibt es eine erhöhte Anzahl von Nutzern, die solche Werbeblocker verwenden. Kommt der Inhalt in ebenjener Gruppe besonders gut an, kann es sein, dass man zwar viele Besucher mit dem Inhalt anlockt, aber unter dem Strich aus diesem Grund nicht mehr Einnahmen erzielt.
Mehr Traffic = mehr Erfolg?
Über Werbung ließe sich noch viel ausführlicher schreiben, doch kommen wir zurück zum Beitrag von Timo Kühne. Er behauptet, dass derjenige, der erfolgreich sein will, mehr Traffic benötigt. Ich halte dagegen, Erfolg kann man am Traffic nicht messen. Es gibt Webseiten, die ich lange Zeit nicht kannte, die ich vielleicht heute nicht wieder besuche, die aber mit dem Grimme Online-Award ausgezeichnet worden sind. Man könnte meinen, diese Webseiten seien erfolgreich… Hat das aber notwendigerweise mit Traffic zu tun? Meiner Meinung nach nicht.
Stellen wir uns eine weitere Webseite vor, eine die bei uns WordPress-Bloggern täglich im Spamfilter landet. So eine Webseite meine ich, die mit technischen Möglichkeiten die Inhalte anderer kopiert, sie unter einer neuen Domain als die eigenen ausgibt, und mithilfe von SEO versucht, möglichst weit vorne in den Suchergebnissen zu landen. Wenn es ganz dumm läuft, dann wird diese künstlich produzierte Webseite für einen gewissen Zeitraum sogar mehr Besucher haben als das Original. Ist sie deshalb aber erfolgreicher? Ich denke nicht.
Die Nische gottverdummich…
„Du brauchst also eine Webseite und mehr Traffic“, notiert Timo Kühne. Nein, ich brauche keine Webseite und mehr Traffic, sondern ich benötige eine Geschäftsidee. Ich brauche zuallererst ein Thema, mit dem ich mich auseinandersetzen kann, über das ich schreiben, Filme drehen, Podcasts produzieren, oder in sonst irgendeiner Form Inhalte produzieren kann. Eventuell benötige ich auch Waren, wenn ich einen Onlineshop betreiben möchte.
„Als erstes muss natürlich klar sein, in welcher Nische man tätig sein möchte. Am besten wäre eine Nische mit wenig Konkurrenz. Zudem sollte sie auch noch lukrativ sein.“
Timo Kühne
Je mehr ich von dem Zitat gelesen habe, desto größer wurde mein gedanklicher Widerstand. Am Anfang dachte ich noch, warum denn eine Nische? 127.000 SEOs haben bereits darüber geschrieben, dass man sich eine Nische suchen soll, damit man darin erfolgreich sein kann. Nur wer verbietet es mir, im Mainstream erfolgreich zu sein? Richtig, niemand. Deshalb stört es mich gewaltig, wenn SEOs immer und immer wieder von Nischen schreiben.
Doch die folgenden Sätze bekräftigen nur diese artifizielle Perspektive auf die Sache und blenden die Realität aus, die Realität, mit der Otto Normal, der Webseiten-Betreiber, jedoch auskommen muss. Gleich weiter, davor aber noch ein Satz von Timo Kühne:
„Als Erstes sollte man eine Keyword Recherche mithilfe des Google Keyword Adwords Tool, Market Samurai, SECockpit oder der Sistrix Toolbox durchführen.“
Timo Kühne
Der Gedanke, den Timo Kühne dem Leser mitteilt, wird immer künstlicher. Denn auf der Suche nach der richtigen Nische sollen einem also SEO-Tools helfen. Man sucht sich Keywords, zu denen es nicht so viele Inhalte in den Suchmaschinen gibt, pickt sich dann die Rosinen in der Form raus, dass man ein Thema nimmt, das besonders hohe Werbepreise erzielt. Wie einfach es doch ist, reich zu werden im Internet?!
Timo Kühne war es aber auch, der seinen Text damit begann, dass er aufräumen wollte mit einem Vorurteil. Ich behaupte, er merkt nicht, wie er genau dieses Vorurteil weiter pflegt, indem er solche Beiträge schreibt.
Der Grund, warum Leute enttäuscht sind von SEOs, die ihnen versprechen, im Internet könne man Geld verdienen, ist, dass sie auf der Suche nach ihrem Heil dann auf solche Einträge wie den von Kühne stoßen: „Mehr Traffic bedeutet unmittelbar mehr Umsatz und Erfolg„.
Einträge wie dieser, und Beiträge, wie sie SEOs ständig formulieren, gehen an dem Vermögen derer, die nach Möglichkeiten suchen, sich selbständig zu machen, total vorbei.
Das ist dann nämlich der Grund, warum es nicht so „fluppt“ und eben nicht zum Erfolg führt. Otto Normal kann nicht einfach „irgendeine Nische“ suchen, schrottigen Content produzieren und erfolgreich sein. Und natürlich verlässt die meisten dann irgendwann die Lust, eben weil sie nicht erfolgreich sind. Solche Projekte sind – wenn Otto Normal nicht selbst ein SEO ist – sehr sehr oft zum Scheitern verurteilt.
Ich behaupte wohlgemerkt nicht, dass SEOs mit ihren Strategien keinen Erfolg haben können. Ich kenne Leute, die kaufen Webseiten, vor allem solche mit einer Community, oder Foren, wenn sie das nötige Kleingeld haben. Manche in dem Sektor haben klein angefangen, ein bisschen wie bei Immobilien-Maklern ist das dann. Da kenne ich Personen, die mit Nischen wie Altenpflege, Familiengründung oder Autozubehör und Lebensversicherungen schon versucht haben Geld zu verdienen. Nur selten hatten die Betroffenen tatsächlich Ahnung von den Inhalten. Wenn man Content hat, den die User liefern, bei Foren beispielsweise, dann braucht man keinen Content von außen einkaufen.
Solche Leute sind Unternehmer, Webseiten-Unternehmer, und SEOs, die ihren Strategien folgen, sind es ebenfalls. Nicht jeder kann Unternehmer sein, und nicht jeder kann auf diese artifizielle Art und Weise Webseiten führen und optimieren. Beiträge, die das aber suggerieren, die gehen nicht auf die Fähigkeiten und Bedürfnisse derjenigen ein, die sich vielleicht gerne selbständig machen möchten. Denn wer im Internet Geld verdienen möchte, der muss zunächst bei sich selbst anfangen, und sich fragen, was er am besten kann. Wenn das nicht Schreiben ist, wenn das nicht das Aufnehmen von Podcasts ist, das Sprechen vor der Kamera oder das Zusammenschneiden von Videos, ja und wenn es am Ende des Tages eben auch nicht SEO ist, dann muss vielleicht die Person X,Y ihren Erfolg gar nicht im Internet suchen und kann die eigenen Ressourcen lieber „offline“ investieren, um dort Umsätze zu erzielen.