Bundesverfassungsgericht kippt Tauschbörsenurteil gegen Polizisten

Alexander Trust, den 15. April 2012
Bundesverfassungsgericht, Foto: Tobias Helfrich
Bundesverfassungsgericht, Foto: Tobias Helfrich

Ein Polizeibeamter, der selber gegen illegale Online-Aktivitäten und Internetpiraterie kämpft, ist vor einiger Zeit von Anwälten der Musikindustrie auf Schadenersatz verklagt worden. Vom privaten Internet-Account des Ordnungshüters wurden illegal Musikdateien im Internet zum Tausch angeboten. Doch nicht er, sondern der volljährige Sohn seiner Lebensgefährtin hatte sich der Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material schuldig gemacht. Nachdem das zuständige LG ein Urteil fällte, wollte der Polizist in Berufung gehen, dieses Recht wurde ihm zunächst vom OLG verwehrt. Doch das Bundesverfassungsgericht kippte die Entscheidung.

Als nachgewiesen werden konnte, dass der volljährige Sohn der Lebensgefährtin des Ordnungshüters den Internetzugang desselben zum Verbreiten von urheberrechtlicher geschützter Musik verwendete, wurde der Polizist zwar persönlich des Vorwurfs entlastet und in der Folge wurde der Schadenersatzanspruch gegen ihn zurückgenommen, die Rechtsanwaltskosten seien allerdings von ihm zu tragen, hieß es.

Schutzrechtsverletzung

Gegen diese Forderung legte der Polizist Beschwerde vor dem Landgericht ein. Das LG sah zwar als erwiesen an, dass nicht der Polizist, sondern der volljährige Sohn dessen Lebensgefährtin die Urheberverstöße begangen hatte, doch urteilten die Richter, der Polizist müsse für die Schutzrechtsverletzung haften, da er den Internet-Zugang zur Verfügung gestellt und damit die Urheberrechtsverletzung erst „möglich gemacht“ hat. Gerade er als Ordnungshüter mit Schwerpunkt auf Internetpiraterie habe sich der Gefahren bewusst sein müssen.

Eine Revision wurde vom Oberlandesgericht mit Hinweis auf die „Sommer unseres Lebens“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 185, 330) zurückgewiesen, da es Aufgabe des Anschlussinhabers sei, Dritte, die den Anschluss nutzen, darüber aufzuklären, dass die illegale Nutzung von Tauschbörsen nicht gestattet sei.

Bundesverfassungsgericht gewährt Berufung

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat das Urteil des OLG indes aufgehoben, da nicht klar begründet wurde, aus welchem Grund die Revision verwehrt werden sollte (vgl. Pressemitteilung des BVerfG). Das BVerfG gibt allerdings dem Polizisten in diesem Fall nicht automatisch Recht, sondern räumt ihm nur das Recht auf Berufung und Neuverhandlung der Sache ein.

Keine Rechtssicherheit

Für Rechtsanwalt Christian Solmecke zeigt das bis hierhin geschilderte Prozedere, dass es bislang keine Rechtssicherheit darüber gebe, wie sich ein Internet-Anschlussinhaber verhalten muss, wenn Dritte seinen Anschluss nutzen:

„Das große Problem ist, dass es noch keine Rechtssicherheit darüber gibt, wie ein Internet-Anschlussinhaber vorgehen muss, wenn er den Zugang zum Anschluss Dritten überlässt. Manche Gerichte vertreten die Ansicht, dass ein Handlungsbedarf nur dann besteht, wenn es konkrete Anzeichen für eine missbräuchliche Verwendung des Anschlusses gibt. Andere Gerichte wie das im eben geschilderten Fall gehen davon aus, dass bei jeder Überlassung eine Instruktions- und Überlassungspflicht besteht.
RA Solmecke

Für Anwalt Solmecke führt der vorliegende Fall dazu, dass sich die Instanzen künftig differenzierter mit Filesharing-Fällen auseinandersetzen und die Prüfpflichten eines Internetanschlussinhabers intensiver verhandelt werden müssen. Eine Entscheidung des BGH steht derzeit noch aus.


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