Klaus Kauker vs Dieter Bohlen und Joyrider

Alexander Trust, den 31. März 2012
Dieter Bohlen
Dieter Bohlen, Foto: Michael Zimmermann via Wikimedia (CC BY-SA 3.0).

Man verzeihe mir, wenn ich für Dieter Bohlen Partei ergreife, aber in diesem Fall macht ein YouTuber alias Klaus Kauker sich selbst vor laufender Kamera leider mehr als angreifbar und möchte vom Rest der Welt hören, dass er Recht hat. Schade nur, dass seine Selbsteinschätzung an der Realität vorbeigeht.

Ich hätte sicherlich nichts dagegen, wenn jemand als Gutmensch oder virtueller Ordnungshüter in unserem „globalen Dorf“ für Recht und Ordnung sorgt, doch dann bitte nicht so wie Klaus Kauker, der Musiklehrer.

Dieser hat vor gut einer Woche ein Video ins Netz gestellt, in dem er das „dreisteste Plagiat“ vorstellt, „das er kennt“.1 Genauer geht es um David Guettas Song „Without You“, dessen Titel bereits Mariah Carey und Nilsson platzen lassen könnte, oder Whitney Houston sich im Grabe umdrehen. Doch Klaus Kauker nimmt nun an, dass Dieter Bohlens Joyrider, ein Song, der zur Opel-Hymne bei DSDS gemacht wurde, ein Plagiat ebendieses Songs sei.

Die Akkorde

Kauker hat sicher Recht, dass es frappierende Ähnlichkeiten zwischen den Liedern gibt. Nur ist das alleine nicht mehr als ein Indiz. Die von Kauker gezeigten Audiospuren dienen ebenfalls nur als solches, und der Beweisführung.2

Im knapp 10-miütigen Video von Kauker macht dieser vor der Kamera mit seinen Fingern Akkorde nach, und spricht ein „da da da“. Was wohl Rio Reiser dazu gesagt hätte? Ganze drei Akkorde am Ende des Refrains sollen sich frappierend ähnlich anhören. Dass man allerdings drei Akkorden keine geistige Schöpfungshöhe zuspricht, ignoriert Kauker. Es gibt viele, die in Shows mit drei oder vier Akkorden die halbe Welt der Pop-Songs nachspielen können, weil der Pop meist nicht viel mehr ist als eine Variation bekannter Muster, die teils schon auf die Klassik zurückgehen. Das ist aber keine Widerlegung von Kaukers Argument.

Plagiat?

Kauker stellt noch mehr Ähnlichkeiten fest, die man nicht wegdiskutieren kann. Von Taktwechsel, Harmonien und vielem mehr ist die Rede. Richtig ist, dass diese beiden Songs sich sehr ähnlich sind. Doch ist das der „Beweis“ für ein Plagiat?
Wenn Kauker beweisen will, dass etwas geklaut wurde, dann hätte er mit David Guetta Kontakt aufnehmen sollen, um festzustellen, woher dessen Komposition stammt. Darüber hinaus hätte er Dieter Bohlen oder dessen Management kontaktieren können, um festzustellen, ob nicht vielleicht sogar ein Kontakt zwischen Guetta und Bohlen besteht.

Kauker wirkt wie ein Prototyp der Generation Google. Die etwas spontan annimmt und es nicht überprüft. Als „Musiklehrer“ sollte Kauker aber ein wenig mehr Sorgfalt walten lassen. Was wäre wenn weder Bohlen noch Guetta, sondern vor ihnen jemand anderer diese Wechsel von Harmonien, diese Anzahl an Taktschlägen verwendet hätte?
Möglich außerdem, dass die Rechte an dieser Komposition am Ende für jeden als Gemeingut zur Verfügung stehen, weil der eigentliche Urheber sich lange genug unter den Toten befindet.

Ich weise darauf hin, dass eine umfassende Beweisführung oben genannte und weitere Dinge berücksichtigen muss, möchte sie zielführend sein. Es ist sogar fahrlässig von Kauker, öffentlich zu behaupten Bohlen hätte ein Plagiat erstellt. Wenn dies am Ende nicht zutrifft, könnte man umgekehrt Kauker dafür belangen, weil er jemanden zu Unrecht diffamiert hat.

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Das obige Video stammt vom 3. März. Ein anderer YouTube hat also bereits vor Kauker dieselbe Idee gehabt. Ist das jetzt der Beweis, dass Kauker mit seinem YouTube-Video ein Plagiat begangen hat?

Theorie ungleich Hypothese

Ärgerlich wird es wenn Kauker lapidar formuliert, seine Argumentation sei „zumindest ne Theorie, die man vertreten kann“. An dieser Stelle sammelt Kauker erneut einen Punkt auf der Habenseite der Generation Google und ich einen bei der Beweisführung dazu. Eine Theorie it, im Unterschied zu einer Hypothese eine Vorstellung, die bereits mehrfach und über einen langen Zeitraum hinweg auf die Probe gestellt wurde und bei der aber immer wieder ihre Richtigkeit festgestellt wurde. Damit nun Kaukers „These“ zur „Theorie“ würde, müsste er anderen Leuten erlauben, mit seinen Methoden zum gleichen Schluss zu gelangen. Dies nennt man in der Wissenschaft Reproduzierbarkeit.

Grammatik-Kritik

Den Vogel aber schießt Kauker ab, wenn er gegen Ende seines Videos sich darüber auslässt, dass die Bezeichnung „We are Joyrider“ grammatikalisch falsch sei. Das ist richtig, doch als Musiklehrer sollte Kauker wissen, dass gerade in der Kunst bei Lyrik und Lyrics, selten die Grammatik im Vordergrund steht, sondern die Manipulation von Sprache, bis sie zum Kunstwerk passt. Wenn ein Satz nicht in ein Reimschema passt, wird er passend gemacht.

Plausibilitätswahn

Das Kauker-Thema hat eine gewisse Größe angenommen und in einigen Foren und auf ein paar kleineren Newsseiten, die sich mit dem Thema beschäftigen, wurde darauf verwiesen.

So kann man im Fußballforum der Fanseite schwatzgelb von Borussia Dortmund lesen:3

Zumal der „junge Mann“ nicht erst seit gestern sehr lehrreiche Videos über Musik ins Netz stellt. Wenn irgendwer Ahnung von Musik hat, dann Klaus Kauker!

Die Wahrheit der Aussagen Kaukers wird von jemandem damit versucht zu beweisen, dass Kauker schon immer über das Thema informiert hat. Dumm nur, dass dies nicht mehr ist als ein „naives“ Vertrauen auf die „Plausibilität“ und logisch schon überhaupt nicht zulässig. Nur weil man jeden Tag die Unwahrheit wiederholt wird sie nicht irgendwann zur Wahrheit. Im „wirklichen Leben“ ist dies leider so. Denn dort trifft man Personen an, die sich von diesem Plausibilitätswahn anstecken lassen und die Dinge nicht hinterfragen.

Kauker sollte vor dem Hintergrund solcher Aussagen seiner Zuschauer den Mut haben, sie darüber aufzuklären, welche Tragweite seine Aussagen überhaupt haben können.

Wo es mit Indizien und Plausibilitäten hinführt mussten wir schließlich erst vor ein paar Tagen erfahren, als ein junger 17-Jähriger aus seiner Stadt flüchten musste, weil die Polizei ihn öffentlich in Handschellen abgeführt hatte und in Untersuchungshaft steckte, wegen des „Verdachts“, er könnte die kleine Lena in einem Parkhaus vergewaltigt haben. Es fanden sich schnell Leute, die das Haus, in dem der Junge wohnte, mit Steinen bewarfen und der Spießrutenlauf begann, weil die Leute annahmen, dass die Polizei „schon Recht haben würde“, so wie ein Kommentator im Fußballforum fand, dass Kauker ja bestimmt wüsste, worüber er da spricht.


  1. Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=X0q1eA3cUF0
  2. In diesem Kontext wird das Video von Kauker gerne als „Beweis“ angeführt, vgl. z. B. http://www.newspoint.cc/artikel/Musik/DSDS-Song_Joyrider_ein_Plagiat_87952.html. Redakteur Eric K. kann die Bedeutung von „Beweis“ und „Beweisführung“ nicht auseinanderhalten. 
  3. Der Link zum Foreneintrag ist nicht mehr vorhanden, weder im Internet-Archiv, noch im Forum selbst über die Suchfunktion. 

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