Test: Harveys neue Augen ist ein hypnotisierendes Abenteuer
Alexander Trust, den 5. Oktober 2011Nach Ednas erfolgreichem Ausbruch aus Dr. Marcels Nervenklinik war es lange still um die leicht durchgeknallte Heldin und ihren brabbelnden Stoffhasen Harvey. Nun, nach drei Jahren, veröffentlicht Daedalic den Nachfolger. Allerdings steuern wir nicht mehr Edna, sondern die brave Klosterschülerin Lilli. Ob sie ihrem Vorbild Edna gerecht wird, klärt unser Review.
Arme kleine Lilli. Stets bemüht sie sich, den Anforderungen und Wünschen der Oberin Ignatz, und ihren Mitschülern gerecht zu werden. Doch, ach Weh, scheitert sie jedes Mal bei ihren Versuchen aufs Neue. Und so dezimiert sie die Anzahl ihrer Mitbewohner bei dem Versuch Ednas Anwesenheit im Kloster zu vertuschen. Denn die hatte sich nach ihrer Flucht hier, bei ihrer besten Freundin Lilli, versteckt. Doch nun hat Dr. Marcel sein Kommen angekündigt um der Oberin im Kampf gegen die aufmüpfigen Bälger beizustehen. Unterstützung erhält er dabei von einem ominösen blauen Stoffhase mit rotleuchtenden hypnotischen Augen, mit dem er Lilli gefügig macht.
Ab dem zweiten, der drei Kapitel umfassenden Geschichte, ist es nun unsere Aufgabe die in Lillis Gehirn verankerten Barrieren, wie „Du sollst nicht mit Feuer spielen“, zu durchbrechen. Dafür schlüpfen wir in ihr Unterbewusstsein und lösen dort diverse Rätsel. Wieder in der realen Welt setzen wir die, auf diese Weise, aufgehobenen Verbote ein, um wiederum andere Rätsel zu lösen. Wie gewohnt, klicken wir uns aus Interaktionspunkten in der Umgebung und in unserem Inventar angehäuften Gegenständen die unterschiedlichsten Lösungen zusammen. Zwischendurch gilt es kleine Minispiele zu bewältigen, in denen wir mal mittels Ausschlussverfahren die gesuchten Gegenstände ermitteln, oder beweisen, das Lügen richtig ist. Sollten wir hierbei mal nicht weiterkommen, können wir diese Minispiele jederzeit überspringen.
Hinweise zu den einzelnen Aufgaben erhalten wir meistens in Gesprächen. Während dieser Unterhaltungen bleibt Lilli bis auf ein paar eingestreute „Ehms“ und gelegentliche Seufzer stumm. Erst im Finale findet die Kleine die passenden Worte. Die Gespräche sind perfekt vertont. Gerade Götz Otto liefert als Erzähler eine hervorragende Arbeit ab. Die dezenten Umgebungsgeräusche, sowie der stimmige Soundtrack unterstützen die ohnehin hervorragende Atmosphäre bestens.
Grafisch setzt Daedalic auf den liebevollen Comicstil aus Edna bricht aus. Diesmal allerdings hochauflösend und nicht mehr in nostalgischen 800×600 Pixeln. Auch der makabere Humor steigert sich im Vergleich zum Vorgänger und kommt gerade in den teils aberwitzigen Dialogen zum Tragen. Wie bei der Grafik haben sich die Entwickler auch bei der Bedienung an moderne Standards angepasst. Die klassische Verbensteuerung des Vorgängers ist passé und wurde durch eine einfache und intuitive Maussteuerung ersetzt. Dabei betrachten wir per Rechtsklick Objekte und Personen, mit einem Linksklick interagieren wir mit ihnen. Ein Druck auf die Leertaste blendet alle Hotspots in der jeweiligen Szene ein.
Fazit
Mit Harveys neue Augen setzt Daedalic sein 2008er Abenteuer Edna bricht aus erfolgreich fort und übertrifft es sogar noch bei Grafik und Bedienung. Die an sich ernste Geschichte um die düsteren Abgründe mancher Kinderseele wird mit viel Humor erzählt, der zwar ein schwarzer ist, aber nie unangebracht. Die Rätsel sind stets fair, selbst wenn sie Profis nicht vor wirklich harte Nüsse stellen. Wer Edna mochte, wird Lilli lieben.