Test: Retro Game Kult – Strichgrafik und Realismus (1958-1989)
nj, den 21. Oktober 2010Christian Wirsig bringt mit Retro Game Kult nach dem Großen Lexikon der Computerspiele eine Sammlung der frühen Anfänge der Videospielkultur in Paperback-Buchform auf den Markt. Ziel ist es, die Nostalgie in manch einem Gamerherzen zu erwecken und eine übersichtliche Liste der beliebtesten Retrogames und deren Geschichte zu präsentieren. In unserem Review stellen wir dieses Unterfangen auf den Prüfstein.
Zweifellos zaubern Cover und Design des überschaubaren Buches von knapp neunzig Seiten ein Lächeln auf mein Gesicht: wir werden erinnert an Pacman, den ersten Super Mario, Space Invaders und dem höchsten Veteranen Pong.
Die Geschichten, die Wirsig über die Retrogames erzählt, sind unterhaltsam; wer sich weniger auskennt, erfährt vom sogenannten Oszilloskop und von den Anfängen der Spielewelt, bestehend aus Strichen und Pixeln. Zuerst liest man gerne über die Entstehungsgeschichte von „Tennis for Two“, dem Vorgänger von „Pong“ und darüber, wie der Fernsehtechniker Ralph Baer an der ersten Spielekonsole gearbeitet hat.
Schnell wird dabei jedoch eines klar: Mehr Information als ein paar Sätze über Entstehungsjahr, Spielprinzip und bestenfalls Ursprung der Idee zum Spiel, wird nicht gegeben. Ich habe mich auf ausführliche Interviews und Informationen über die Erfinder und Entwickler gefreut, auf technische Hintergründe, aber nichts davon wird in Retro Game Kult angeboten.
Wirsigs Recherche mag zwar korrekt sein, ist aber oberflächlich vorgetragen, und gibt wenig Inhalt preis. Viele Bilder gibt es, auch alte Werbefotos und dergleichen, doch lässt der Titel „Strichgrafik und Realismus“ mehr technisches Wissen vermuten, ob für den Kenner oder für den Laien dargestellt. Wirsig sagt zwar, dass früher nur farblose Pixel benutzt wurden und dass dies heute anders ist. Aber der Leser möchte doch auch wissen, wie das ganze zusammenhängt, warum es gestern so war, und heute anders ist.
Wer sich einen ersten dezenten Überblick über die Grundsteine der nunmehr über fünfzig Jahre überdauernden Szene verschaffen mag, der kann dies mit dem Buch Retro Game Kult tun. Wir erhalten Einblicke in die ersten RPGs, die auf die einfach gestrickten Klassiker der Arcade-Automaten und ersten DOS-Games folgen und langweilig lässt sich das Ganze auf keinen Fall lesen.
Fazit
Ich muss nur leider sagen, dass Retro Game Kult uns keinen Vorteil gegenüber einer Liste aus dem Internet anbietet, außer vielleicht, dass man etwas in der „Hand“ halten kann. Das mag zwar für viele Sachbücher gelten, trotzdem hätte Wirsig mit ein bisschen mehr Mühe ein weniger ersetzbares Buch herausbringen können. Ich habe wenig erfahren, das ich bis dato nicht schon wusste. Man könnte deshalb urteilen, dass hier ein Werk primär für den Laien verfasst wurde. Eine gute Idee wurde meiner Meinung nach unzureichend umgesetzt. Einen Kauf zum stolzen Preis von immerhin 16,90 Euro würde ich eher nicht empfehlen.