Kolumne: Spannende Überschrift mit guten Keywords

rj, den 2. Oktober 2010
Don't touch me.
Don’t touch me.

Mit diesem Teaser wird Lust gemacht aufs Weiterlesen. Mit dem Stichwort „Selbstbezug“ erfährt der Leser schon mal, um was es geht. Außerdem wird dezente Selbstkritik des Schreibers angedeutet, was bescheiden wirkt und Sympathien schafft. Nun noch ein kurzer, griffiger Füllsatz, und dann der „Weiterlesen“-Link, garniert mit einem paradoxen, selbstbezüglichen Teaserbild.

Im ersten Absatz breche ich mit dem großartigen Vorbild für diese Kolumnen-Einleitung, in dem es um typische Newsartikel zu wissenschaftlichen Themen geht und unter anderem dazu geraten wird, auf nachvollziehbare Quellenangaben zu verzichten. Mit einem lässigen Namedropping wird jedoch gleich anschließend darauf hingewiesen, dass sich der Autor dieser Zeilen mit Selbstreferenzialität (und Fremdwörtern) auskennt und ein wenig Douglas Hofstadter gelesen hat. Aber genug der Einleitung, beginnen wir die Selbstkritik. Wie sieht eigentlich der typische Apple-Gerüchteartikel aus?

Schauen wir mal auf den hier. Teaser mit ein paar handfesten Infos plus Jailbreak/Exploit-Andeutungen ohne konkrete Hintergründe, check. Erster Absatz: Wiederholung, Spekulation und das unausgesprochene Hypen: man redet von einem Produkt, das noch kein Kunde in Deutschland regulär erhalten hat. Check. Zweiter Absatz: eine (deutsche!) Quelle. Direktgelinkt. Fail. Letzte zwei Absätze: Namedropping (Steve Jobs!) und wildes Aufbauschen eines Nebensatzes aus einem indirekten Zitat aus einem alten Interview. Noch die Frage aufgeworfen, was die Jailbreaker vielleicht machen könnten (wohlweislich unbeantwortet gelassen). Check.

Hm. Was soll ich dazu sagen? Schlimmer, als ich gedacht habe. Dabei habe ich noch nicht einmal erwähnt, dass mich Apple TV eigentlich nicht interessiert und ich selbiges noch nie verwendet habe.

Spekulieren bereitet Freude

Selbstkritik schön und gut, wie komm ich hier nun wieder raus? Klar, bei Apple macht es einfach viel Freude, die „Was könnte man noch damit machen?“-Fragen zu stellen. Grade die Jailbreaker haben bei vielen der „regulären“ späteren Features der ganzen iDevices die ersten praktischen Anwendungen gebracht. Die Apple-Community ist überhaupt deswegen immer weit vorn dabei, weil sie Neues begeistert aufgreift und für alle möglichen Zwecke nutzt. Und zu guter Letzt traut man Apple Einiges zu, und das durchaus zurecht. „Aber deswegen ist das immer noch höchst subjektive, wertende Berichterstattung, Richie!“ rufen die Kritiker. Ja, stimmt ja. Das ist mir aber in der Tat egal. Seitdem ich Texte fürs Netz schreibe, plagt mich manchmal das Gewissen, dass das mit der Neutralität so eine Sache ist bei mir. Immer, wenn das passiert, lese ich den Focus, dann gehts mir wieder gut. Genug der Selbstkritik, kommen wir zu den schönen Sachen im Leben. Apple liebt mich.

So, und nun genug Selbstbezug. Now to something completely different. Chuck Norris verbessert den iPhone-Empfang. Das ließ mich gerade grübeln, ob ich mir da einen passenden Chuck Norris-Fact ausdenken kann, und als ich gerade tippen wollte, dass ich daran scheitere, fiel mir was ein. Chuck Norris braucht kein iPhone, das iPhone braucht Chuck Norris.

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Ansonsten braucht eigentlich kein Mensch ein iPhone, oder besser: „ge“braucht, denn der absolute Marktanteil im Handybereich ist erstaunlich niedrig. Zwei Prozent iPhones, es ist erstaunlich, wenn man diese Quote mit der gefühlten Totaldominanz in Sachen Medienberichterstattung vergleicht. Aber eigentlich wollte ich zu was ganz Anderem überleiten, denn in Redmond wird aktuell mal wieder was entwickelt, was kein Mensch braucht.

Tablets mit Tastaturen auf der Rückseite. Ich wage die Prognose, dass selbst Zehnfinger-Blindtipper latent unglücklich über eine solche Lösung wären. Eine Deaktivierung der Tastatur, wenn das Tablet abgelegt wird, sollte sich mit der heutigen modernen Sensortechnik realisieren lassen, noch einfacher ist jedoch wohl das simple Weglassen. Ich will nicht falsch verstanden werden, ich halte mich weder für technik- noch generell neuheitsfeindlich und bin der festen Überzeugung, dass jede Idee einen zweiten Blick verdient hat, weil Vieles auf den ersten Blick bekloppt wirkt. Auf den ersten *und* den zweiten Blick bekloppt sind Tablets mit Tastaturrücken und Tablets ohne USB-Anschluss (ja, ich meine das iPad.).

Wenn ich schon beim Austeilen bin: Was mir zu guter Letzt die iPhone-Rechtschreibkorrektur vor ein paar Tagen präsentierte, war nicht mehr nur bekloppt, sondern der Beweis, dass Apple tatsächlich abgrundtief böse ist. Vielleicht wollen sie mich ja deswegen als Manager.

Trotzdem brauch ich natürlich mein iPhone und das iPad, ein paar Rechner noch, zuviel Netzwerktechnik und überhaupt vermehrt sich das Zeug penetrant. Was brauch ich eigentlich nicht? Das bereits erwähnte Apple TV, zum Beispiel. Andere Hersteller verbauen Grafikkarten mit TV-Out, Apple vertickt sein Hobby inzwischen mit einigem Erfolg in zweiter Generation als separate Hardware. „Aber Richie, das kann ja auch viel mehr als TV-Out!“ höre ich die Fanboys rufen. Ich winke ab und sag, geschenkt. Ich will Gerätekonvergenz, und die ist irgendwie noch immer nicht in Sicht. Im Gegenteil nimmt die Menge an Hardware, die man für eine einigermaßen zivilisierte Existenz benötigt, permanent zu. Meinen Wohnungs-Beleuchtungsplänen kommt das entgegen, der Brieftasche weniger. Nun auch noch Filme bei iTunes ausleihen, mit der Software direkt aus der Hölle? Letztens war schon mein Vorgesetzter entsetzt, als er meine Ping-Timeline inklusive iiTunes-Albenerwerbsmeldung sah. „Du KAUFST Musik?“ Ja, manchmal. Aber versprochen, ich werd nie, NIEMALS Filme bei iTunes leihen.

Das bringt mich zum allgemeinen Verfall von Kultur und Sitten. Beim Thema „Filmegucken, iTunes-Alternativen“ fiel mir aus unerfindlichen Gründen Rapidshare ein, darauf der Gedanke, was da der Traffic eigentlich macht. Eine schnelle Alexa-Recherche förderte Entsetzliches zutage.

Apple vor Rapidshare, und vor Pornhub! Ach, Internet. Was ist nur aus dir geworden. Dann noch die Stuttgartgeschichte, wo gerade unsere Volksvertreter das Volk treten lassen, schön mit den Lügendementis strategisch günstig erst nach der Tagesschau, es ist zum kotzen. Und wenn ich schon deprimiert bin deswegen, dann brauchen alle anderen kein schönes Wochenende zu haben. Deshalb heute zum Schluss kein heiterer Rausschmeißer à la „Nerd baut 16Bit-Rechner in Minecraft“ oder „haha, die Google Instant Blacklist rockt!„, sondern ein trauriges „Danke für alles“ an die Futurezone. Thomas Bernhard, monochrom und die Futurezone, arg viel mehr Schönes fällt mir nicht zu Österreich ein. Bernhard ist schon länger tot, die FuZo seit gestern. Bleibt monochrom. Repariert, was euch kaputtmacht!


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