Test: "game-based marketing" von Zichermann und Linder
Alexander Trust, den 19. Juni 2010Gebet dem Volk Brot und Spiele! … oder was Cäsar heute „game-based Marketing“ nennen würde. Zichermann und Linder haben es in ihrem Buch auf 240 Seiten zusammengefasst. Wir haben das Buch gelesen und erlauben uns ein Urteil.
TV-Werbung hat ihren Zenit überschritten und Kampagnen in gedruckten Medien haben die letzten Jahre Umsatzrückgänge im mittleren zweistelligen Bereich hinnehmen müssen. Online-Werbung und -Marketing versprechen, diese Lücke zu schließen. Doch es gibt eine weitere Dimension, welche langfristige Kundenbindung und höheren Absatz verspricht: Spiele!
Die Zukunft ist jetzt
„Spiele sind die Zukunft des Marketing – und diese hat begonnen!“, verkündet Gabe Zichermann, seit über einem Jahrzehnt als Unternehmer und Buchautor in der Spiele-Industrie unterwegs. Er hat alle Trends genaustens beobachtet und beschreibt in seinem neuesten Buch „Game-Based Marketing: Inspire Customer Loyalty Through Rewards, Challenges and Contests“ auf 240 Seiten den Trend des Spiele-Marketings. Darin belegt er auch seine These anhand von Fallstudien führender Unternehmen.
Leicht verständlich und auf den Punkt geschrieben gibt Zichermann dem Leser hilfreiche Tipps an die Hand, um nicht „raus aus dem Spiel“ zu sein. „Spaß ist die neue Form, um die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu gewinnen! Die klassische Werbung wird immer weniger effektiv“, lautet sein Mantra.
In einem Zug, ehm … Flug
Ich war kürzlich von New York ins Silicon Valley unterwegs, und während wir von der Ost- an die Westküste düsten, habe ich das Buch fast in einem Zug durchgelesen! Der O’Reilly Verlag hatte mich ein paar Tage vorher angeschrieben, ob ich nicht interessiert wäre, einen Review zu schreiben. Natürlich sagte ich zu! Fast hätte ich den Autor selbst auch noch auf der „LA Games Conference“ in Los Angeles getroffen, konnte aber wenigstens einen Teil der anderen hochkarätigen Referenten interviewen.
Von den Besten lernen
In diesem wegweisenden Ratgeber wird ein Einblick in die erfolgreichsten Kundenprogramme gegeben, welche auf Spielen basieren und die treusten und engagiertesten Konsumenten der Welt hervorgebracht haben. Dabei wurden für die Unternehmen Millionen an Einnahmen generiert, denn trotz allem Spiel und Spaß stehen die ökonomischen Aspekte im Zentrum – ohne einen erkennbaren Zuwachs an Verkäufen und Profit bringen auch noch so spielerische Marketingkampagnen wenig.
Werbung ist ein Geschäft, das von messbaren Erfolgen abhängt – ähnlich wie Filme oder das Fernsehen. Den Werbetreibenden fehlt es dabei weder an Disziplin bei der Recherche noch an Kreativität, doch scheitern viele an der Umsetzung und Messung von erfolgreichen Werbekampagnen. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist schwierig vorherzusagen, und Misserfolge werden durch das Internet und Social Networks schnell publik gemacht und verbreitet.
Wir sind umgeben von Spielen und lassen uns konsequent darauf ein. Ein Beispiel: wir kaufen mit unserer Kundenkarte im Supermarkt mehr ein als wir effektiv benötigen – nur um an die versprochenen Bonuspunkte oder Rabatte zu kommen. Oder „Vielflieger“-Programme gehören zu den erfolgreichsten und beliebtesten Treueprogrammen. Solche nachweisbaren „Spiellevels“ können von Marketingverantwortlichen genutzt werden, um die Treue und Markenbindung zu erhöhen – und neue Benutzer dazu zu ermutigen, dem Treuespiel beizutreten.
Wie Marken ihre Zielgruppe mit Spielen erreichen
Viele große Konzerne haben deshalb das Spiel bereits als neues Werbeinstrument entdeckt, von der Coca Cola Happiness Factory bis zum McDonalds Monopoly. Auch die US-Army hat mit einem Online-Spiel bei der Spielergeneration ein kostengünstiges und erfolgreiches Rekrutierungsinstrument gefunden. „Marken, die schon früh Spiele realisieren, werden einen deutlichen Vorteil gegenüber Marken haben, die erst spät dieses Vorhaben in Angriff nehmen“, sagt Zichermann.
Spiele stellen für das Marketing eine neue Möglichkeit dar, um den Konsumenten mit dem Produkt oder der Marke interagieren zu lassen. Dabei stehen nicht zwingend elektronische Spiele als Transportmedium im Vordergrund, sondern um alle demographischen Zielgruppen abzudecken, ist vor allem ein spielerisches Konzept nötig.
Unser Gehirn ist auf SPIELEN programmiert – von Kind auf!
Menschen lieben es von Natur aus zu spielen! Spiele sind seit der Kindheit ein wichtiger Teil unseres Lebens, bewusst oder unbewusst. Marketingverantwortliche können sich nun Spielmechaniken zunutze machen, um eine stärkere und bedeutendere Kundeninteraktion zu schaffen.
Historisch gesehen besteht unser Leben aus Arbeit und Spielen – das eine „muss man“, das andere „will man“ machen. Interessanterweise werden die meisten Spiele aber vom Bewusstsein gar nicht als solche wahrgenommen. Wenn dann dieser Instinkt für das passive Spielen angestachelt wird, ist unsere Absicht zu gewinnen sehr wohl real und wir legen uns dafür auch mächtig ins Zeug!
Die kommenden Erwachsenen sind die am stärksten technologisch versierte, konkurrierende und sozial vernetzte Generation. Eine ganze Generation junger Menschen verbringt ihre Zeit vor dem Computer, tummelt sich in sozialen Netzwerken, sieht sich gezielt ausgewählte Sendungen an und – spielt! Selbst wer nicht zur Gemeinde der Gamer gehört, blendet die klassische Werbung viel stärker aus – zum Beispiel durch digitale Videorekorder.
Das Spielen am Computer ist die vorherrschende Freizeitbeschäftigung. Spiele zielen dabei aber längst nicht mehr allein auf die Herren der Schöpfung ab, nahezu die Hälfte der Online-Spieler ist weiblich! Kinder, die mit Spielen aufgewachsen sind, erwarten auch ein Spiel-ähnliches Erlebnis in allen Aspekten des Erwachsenen-Lebens.
Soziale Netzwerke als Tummelfeld für Ranglisten und Punktesammler
Social Networking-Webseiten bieten eine einzigartige Gelegenheit, um mit verschiedenen Aktionen Punkte zu sammeln, zum Beispiel für jede Empfehlung der Webseite an einen Freund gibt es einen Punkt. Diese Punkte können dann wieder gegen reale Güter eingelöst werden.
Öffentliche Ranglisten sind oft der beste Anfang, um diesen „Funware-Mechanismus“ kosteneffektiv zu nutzen. Der Erfolg ist für den Teilnehmer ja nur dann wirklich interessant, wenn er ihn anderen Benutzern zeigen und mit diesen teilen kann. Solche „Leaderboards“ sind von den Benutzern einfach zu verstehen, und selbst triviale Funktionen wie das „Freunde zählen“ auf Facebook können das Nutzerverhalten beeinflussen.
Punktesysteme ermöglichen es, Verhaltensweisen der Teilnehmer auf die Performance auszurichten und damit den Wert der Aktionen sowie die Kosten der Belohnungen abzustimmen. Eine robuste virtuelle Wirtschaft mit dynamischem Einkommen und Möglichkeiten, dieses „Einkommen“ einzulösen, ist ein mächtiges Werkzeug in einem Treuespiel. Der Markt für virtuelle Güter wuchs auf gigantische 5,5 Milliarden US-Dollar in 2009.
Benutzer müssen die virtuellen Punkte nicht in reales Geld einlösen, um von dieser virtuellen „Wirtschaft“ angereizt zu werden. Abzeichen und ihre auffällige Darstellung sind ein wesentliches Mittel, um den Erfolg der Benutzer zu vermitteln und zu verstärken. Spiellevels und der eigene Punktestand sind wirkungsvolle Werkzeuge, um Treue zu schaffen und das Benutzerverhalten zu steuern.
Wettbewerbe sorgen kurzfristig für Rambazamba
Große Wettbewerbe mit Preisen, wie zum Beispiel der mit 10 Millionen US Dollar dotierte Ansari X PRIZE, können einen umfassenden Effekt auf die Community haben, sodass weitere Nutzer mitmachen. Obwohl Preise kurzfristig einen großen Hype erzeugen und neue Leute anziehen, haben sie langfristig auf die Treue der Teilnehmer keinen Einfluss.
Auch Glücksspiele sind mächtige Werkzeuge, die auf breiter Front eingesetzt werden können. Sie unterliegen allerdings oft rechtlichen Einschränkungen. Eine Kombination von Preisen und Glücksspielen mit einer virtuellen Währung kann dabei für gute Ergebnisse sorgen.
Welche Fragen adressiert das Buch?
Das Buch behandelt meiner Meinung nach alle wichtigen Fragen zum Thema. Dies sind zum Beispiel:
- Warum sind kostenlose Spiele so attraktiv für Kunden?
- Wie wird eine virtuelle Ökonomie erstellt und wie können die eigenen Business-Ziele integriert werden?
- Welche verschiedenen Spielergruppen gibt es und wie können diese erreicht werden?
- Welche Spiele eignen sich für die Kommunikation mit Jugendlichen?
- Wie können Sie durch Massenmedien Spiele effektiv promoten?
- Wie muss ein Spiel ausgestaltet sein, um die Kunden zu binden und langfristig zu Einnahmen zu führen?
- Wie funktionieren die Mechanismen der passiv-spielenden Menschen?
- Wie bauen Sie eine virtuelle Ökonomie auf und verbinden dies mit Ihren real existierenden Geschäftsobjekten?
- Was sind die besten Spieltechniken für die Kommunikation mit dem Absatzmarkt?
Über die Autoren
Gabe Zichermann ist der Vater der Funware-Theorie und Geschäftsführer von beamME, einer mobilen Plattform zur Vernetzung von Fachleuten. Er ist ein Veteran der Spieleindustrie und war als Marketing-Direktor für CMP Media bei der Game Developers Conference, Gamasutra und dem Game Developer-Magazin im Einsatz. Er lebt in New York und bloggt unter anderem über Spiele und die Gesellschaft.
Co-Autorin Joselin Linder schreibt über Popkultur, ist Filmemacherin und Unternehmerin. Sie lebt in Brooklyn, New York.