LAGC 2010: Das Potenzial der Videospielindustrie
Alexander Trust, den 9. Mai 2010Im Rahmen der LA Games Conference 2010 wurde auch auf das Potenzial der Videospielindustrie geblickt. Feststellen lässt sich, dass Bewegung in eine umsatzkräftige Branche gekommen ist, die Videospielindustrie befindet sich im Aufbruch.
Die Anfänge der Spieleindustrie liegen weit zurück. Es fing damit an, dass eine kleine Gruppe Technikvernarrter mit den ersten erschwinglichen Privatcomputern herumexperimentierte. In den ersten Videospielen schossen Punkte Punkte ab, jagten Punkte Punkten hinterher. Was damals noch als das merkwürdige Hobby einer gesellschaftlichen Randgruppe von vielen belächelt wurde, hat sich mittlerweile ganz schön gemausert: Allein in den USA beträgt der Umsatz mit Videospielen jährlich zweistellige Milliardenbeträge, unterstützt durch weiterhin zweistellige jährliche Wachstumszahlen. Und diese Entwicklung ist nicht nur auf Amerika begrenzt, sondern ist weltweit zu beobachten, selbst die globale Krise hat den Boom der Spieleindustrie nicht beenden können.
Beste Bedingungen für Innovation
Ein wichtiger Grund für die rasante Entwicklung der Videospiele über alle demografischen Grenzen hinweg liegt in der technischen Innovationsfreudigkeit. Die Branche ist noch vergleichsweise jung, und seit dem Aufkommen der ersten Games erkannten Unternehmer ihre Chance und begannen, mit kreativen Ideen den Markt aufzumischen. Daraus folgte ein Konkurrenzdruck, der auch heute noch gut zu beobachten ist: Lieber eine Playstation von Sony, die Nintendo Wii oder vielleicht doch Microsofts XBox? Oder anstatt einer externen Konsole einfach auf dem hauseigenen Computer zocken? Ein derart belebter Wettbewerb unter Multimilliardenkonzernen bringt auch ein gewaltiges Potenzial technischer Entwicklung mit sich!
Und so ist die Geschichte der Spiele auch eine Geschichte der gesamten Technik. Neue technische Errungenschaften brachten neuen Schub für die Gaming-Industrie, neue Spiele reizten die bisherigen Möglichkeiten aus und trieben damit wiederum die Nachfrage nach neuen und besseren Technologien. Das Aufkommen der Privatcomputer, die Entwicklung des Internets, die steigende Popularität von Smartphones, eine flächendeckende Ausbreitung von sozialen Netzwerken: Egal wo man hinschaut, in allen Bereichen gehören auch Games zum Wachstumsmotor mit dazu.
Die Pubertät der Branche
Die Spieleindustrie gilt als gigantischer Markt mit Potenzial, nicht zuletzt dank wachsender Umsatzzahlen. Mit dem steigenden Selbstbewusstsein der Branche setzt auch ein gewisser Reifeprozess des Mediums Videospiel ein. Nach und nach tauchen immer mehr Fragen auf, die innerhalb der Gamercommunity diskutiert werden und maßgeblich die Zukunft des Mediums bestimmen könnten. Warum müssen viele der erfolgreichen Spiele so blutrünstig sein? Kann nicht auch ein friedliches Spiel zum internationalen Bestseller werden? Wie weit dürfen Spiele überhaupt gehen? Sind Spiele auch eine Kunstform? Welche Auswirkungen können sie auf die menschliche Psyche haben? Warum eigentlich viel Geld für Filmlizenzen zahlen, wenn zahlreiche eigene Ideen vorhanden sind? Diese Liste kann beliebig fortgesetzt werden, und zeigt vor allem eines: Die Branche befindet sich noch in einer ideellen Selbstfindungsphase, aber wird langsam erwachsen.
Technische Revolution im Wohnzimmer
Wesentlich klarer sind da zahlreiche technische Entwicklungen, welche die Zukunft des Mediums bestimmen. Die steigende Popularität von Smartphones bringt auch eine steigende Nachfrage nach mobilen Spielen mit sich. Beliebt sind kurze Happen für zwischendurch, die sich im Idealfall spontan aufs Handy laden lassen und dem Zeitvertreib dienen. Diese unterscheiden sich von den komplexen Spielen, die oft zu Hause gespielt werden und ein intensives Involvement erfordern.
Eine weitere Tendenz geht mittelfristig hin zu plattformübergreifenden Spielen. Warum sollten die Besitzer einer XBox und einer Playstation nicht das gleiche Spiel spielen können – und zudem miteinander? Via Internet verbinden bereits erste Spiele verschiedene Plattformen miteinander. Diese Entwicklung steckt allerdings noch in ihren Kinderschuhen, mit denen sie jedoch freudig das Laufen versucht.
Laut Michael Pachter, Research Analyst bei Wedbush Securities, müssten dafür die Hersteller der großen Plattformen zusammen spannen. Das werde aber nicht so bald passieren, da die Firmen weiterhin ihre Produkte exklusiv vertreiben wollen, um Geld zu machen. Microsoft erhält eine Abgabe für jedes auf der Xbox 360 gespielte Spiel, und jeder Dritthersteller bezahlt für das Privileg, sein Spiel und weitere Inhalte auf der XBox Live anzubieten. Wenn die Spiele plattformübergreifend spielbar wären, würde das die Verdienstmöglichkeiten der Firmen einschränken.
Aus Sicht von Teemu Huuhtanen, Executive Vice President von Sulake, werden Konsolen unwichtiger werden. „Vernetzte oder sogar gestreamte Spiele werden nach und nach zum Standard”, prophezeit er gegenüber IchSpiele.cc. Dieser Ansatz geht in die Richtung, proprietäre Plattformen gleich ganz überflüssig zu machen. Wer regelmäßig Computerspiele spielt, muss im Abstand weniger Jahre seinen Computer regelmäßig aufrüsten oder ersetzen, um auch die aktuellen Spiele genießen zu können. Warum also, in Zeiten von immer schnellerem Internet, nicht das Spiel via Stream im Internet zocken? Eine Installation auf dem Heimrechner ist damit nicht mehr nötig, Installationen und Kompatibilitätsprobleme gehören der Vergangenheit an. Aber auch hier muss die Technik noch verfeinert werden.
Insgesamt geht aber die gesamte Branche immer mehr Richtung Internet. Einige Spiele gibt es nur noch als Downloadversion ohne Kaufmöglichkeit im Laden, und andere benötigen zur Aktivierung als Schutz vor Raubkopierern eine Internetverbindung.
Neue Finanzierungsmöglichkeiten
Aber auch bei den Einnahmequellen ist Kreativität gefragt, damit nicht nur einmalig beim Verkauf des Spiels der Rubel rollt. Es gibt bisher kaum Werbung in Videospielen, was ein ungenutztes Potenzial darstellt. Eine Ausnahme bilden hier Sportspiele, bei denen etwa Bandenwerbung für reale Marken die Atmosphäre eines Stadions sogar verdichtet.
Wie aber andere Genres den bisher ungenutzten, aber durch das große Publikum sehr lukrativen Markt der Werbung in Spielen erschließen können, wird sich noch zeigen. Die Herausforderung hier liegt dabei, weder die Stimmung noch den Spielfluss zu sehr zu beeinflussen und trotzdem wahrgenommen zu werden. Werbepausen wie beim Privatfernsehen sind daher unwahrscheinlich.
Andere Möglichkeiten, um sich zu finanzieren, offenbaren derweil Onlinespiele: Durch das Angebot zusätzlicher Ausrüstungsgegenstände per Download etwa nehmen einige Spielefirmen genug ein, um das Hauptspiel kostenlos anzubieten (Freemium). Ein anderes Modell sind monatliche Beiträge statt eines einmaligen Preises. So verdient beispielsweise die Firma Blizzard an „World of Warcraft“.
Neue Märkte
„Die Geschmäcker der westlichen Welt sind überwiegend identisch. Asiatische Geschmäcker sind hingegen ganz unterschiedlich von westlichen, deshalb sind die meisten Westspiele dort nicht sehr erfolgreich“, erzählt uns Michael Pachter, Research Analyst bei Wedbush Securities. Raubkopien hätten in Asien zu servergestützten Spielen geführt, welche dort sehr erfolgreich sind.
Niemand hat bisher herausgefunden, wie auf großen Märkten wie Indien oder weiten Teilen Lateinamerikas der Durchbruch gelingen könnte. Teilweise liegt es an den sozialökonomischen, teilweise an den politischen Hintergründen. Doch diese Regionen sind noch stark ausbaufähig und bilden die größten Chancen für neue Markteintrittspunkte.
Mehr als eine Abzweigung
Die Videospielebranche war schon immer von zahlreichen parallel verlaufenden Entwicklungen geprägt. Und auch jetzt lassen sich unterschiedliche Tendenzen entdecken.
Das Medium steht deshalb nicht einfach vor einer Abzweigung, es steht inmitten eines ganzen Verkehrssystems mit Dutzenden Wahlmöglichkeiten. Jedes Unternehmen wird für sich selbst entscheiden, welchen Weg es einschlägt. Einige werden in der Sackgasse landen, andere auf der Schnellstraße oder sogar auf der Überholspur. Die Branche hat erst gerade begonnen, die Möglichkeiten auszuschöpfen. Man darf gespannt der Dinge harren, die da noch kommen werden!