Kolumne: Die Wunderwelt der Technik

rj, den 6. März 2010
Macnotes - Polo-Shirts
Macnotes – Polo-Shirts

Vor vierzehn Jahren wurde in Hannover dieses Internet zur Kenntnis genommen, von dem man auch 2010 noch immer recht viel hört. Damals faszinierend und sonderbar, nennt sich das heute unter anderem Webciety und ist erstaunlich normal. So normal, dass die Ankündigung des Erscheinungstermins eines gewissen Tablets aus Cupertino mehr Wind macht. Die Gemeinsamkeit beider „Ereignisse“: um was es geht, kennt man inzwischen irgendwie bereits zur Genüge.

Die IT-Welt versammelte sich in einer Stadt, von der gesagt wird, sie sei ein wenig wie der Februar: OK, dass es ihn gibt, aber auch nicht schade drum, wenn nicht. Selbiges wird der CeBIT schon seit einigen Jahren nachgesagt, die Meinung teile ich nicht, auch wenn es nicht diese entscheidenden Durchbrüche zu verkünden gibt wie anno 1996, als eben das Internet zum großen Thema wurde. Vor „Nestbeschmutzern“ müsse man sich hüten dort und die Schulen sollten ans Netz, so der damalige Bundsesforschungsminister Rüttgers, Merkels Ansage zur Kinderpornogefahr im „rechtsfreien Raum“ 2010 war nicht viel intelligenter und demonstrierte eindrücklich, dass sich die Dinge gleichbleiben, wenn sie sich verändern. Aber verändert haben sie sich.

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Die Preise für den Netzzugang scheinen hingegen im Vergleich zu den Neunzigern gefühlt gleich geblieben zu sein. Tatsächlich waren an den Wlan-Coupon-Ausgabestellen Schlangen zu beobachten.

Und statt Videotelefonie über einen sensationellen Kilometer Distanz bot die 2010er-Ausgabe der CeBIT das passende Barbieoutfit zum iPhone.

OK, damit tut man der CeBIT nun wirklich Unrecht. Bei aller Kritik: die IT-Welt ist 2010 wieder ein wenig „nahbarer“ geworden, die Global Conferences mit Twitterwall sind eine echte Bereicherung, und wie ein Bitkom-Offizieller vor dem Round Table mit Kaspersky angab, noch durchaus ausbaufähig. Für den Round Table mit Flickr-Co-Gründer Butterfield war am Mittwoch noch nicht voll besetzt. Nun ist ers – wer will noch zu Wolfram? Keine Berührungsängste bitte, denn die CeBIT wird wieder freundlicher. Nächstes Jahr will man diese Entwicklung noch weiter vorantreiben.

Ein wenig überwog aber wohl auch noch das Misstrauen, denn die „Silent Disco“ wirkt kabellos noch surrealer. Disco, tanzende Leute, kein Geräusch. Auf dem Hacking at Random 2009 trauten sich die Veranstalter, Funkkopfhörer zu nutzen, die angeleinten Tänzer auf der CeBIT gerieten wenigstens nicht in die Versuchung, das Audioequipment wegzutragen. Später war man ausgerechnet in der Securityhalle etwas unsicherer unterwegs. Es ist ohnehin erstaunlich, was gerade im IT-Sicherheitsbereich an Alkoholika wegkonsumiert wird, und nur ein Zyniker wird behaupten, es hinge möglicherweise mit dem Tätigkeitsfeld zusammen. Die Sicherheit am eigenen Stand wirkte gelegentlich improvisiert, denn selbst unter der Annahme, dass an sich alle Probleme mit Gaffatape gelöst werden können, gilt das noch lange nicht für Paketband.

Die Optionen, die du nicht benutzt, sind die Optionen, die du nicht besitzt. Mit schlagkräftigen Equipment ausgestattet, fand ich mich vor dem unkaputtbaren Handy, und was soll ich sagen? Es ging nicht kaputt.

Was noch? Der Bundesnachrichtendienst rekrutiert vor Ort und ködert die zukünftigen Mitarbeiter mit einer echten Enigma aus WKII-Zeiten. Aktuelle Ver- und Entschlüsselungsmittel will man hingegen nicht preisgeben, auch nicht die grobe Größenordnung der vorhandenen Rechenleistung, selbst über die rein bürokratische Rechnerausstattung schwieg man sich aus. Ob man so in der Kernforschungszentrum Jülich-Liga steht oder eben nur ein paar IBM-Racks stehen hat, erfährt man wohl erst nach erfolgreicher Bewerbung. Die steht jedem offen, selbst einen Veterinär habe man letztens eingestellt, so der freundliche Headhunter des freundlichen Auslandsgeheimdienstes.

Ansonsten ist das Netz erstaunlich normal geworden auf der CeBIT, die mobile Rechenleistung und Konnektivität ebenfalls, und alle Welt wartet aufs iPad. Die Releasetermine wurden gestern bekanntgegeben, große Enttäuschung bei den Nachzüglerländern ist die Folge, und die unvermeidlichen Ripoffs in Hannover sind selbstredend kein Trost. Das hier ist obendrein aus Pappe.

Was für schöne Dinge heute allenfalls als normal zur Kenntnis genommen wird, zeigt sich vielleicht am besten angesichts der Tatsache, dass sich selbst angesichts der nebenstehende Kopieranlagen niemand vorstellt, was das in den späten Neunzigern für ein Killerteil gewesen wäre (und wieviel Zeit es gespart hätte, und wie golden die heutigen Verhältnisse verglichen mit jenen trüben Zeiten waren). Stattdessen entzündete sich eine der heftigeren Diskussionen der deutschen Blogosphäre daran, dass Basic Thinking seine Feeds nicht mehr im Volltext anbietet. Sowas rückt die Bedeutung einer CeBIT natürlich drastisch zurecht. Statt Blutbloggerstreit nun die Kurzfeeddebatte: es geht uns offenbar allen gut. Zum Abschluss noch die erträglichen Nachtaufnahmen Nummer Zwei und Drei, die ich mit einem Nicht-3GS-iPhone zustande brachte.

Wir werden kleiner und kleiner, und am Sonntag sind wir nicht mehr da. Heute sind wir unseren letzten Tag auf der CeBIT 2010. Schaut vorbei!


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