Kommentar: Apple erobert das Sofa

rj, den 27. Januar 2010
iPad
iPad

Eine interessante Spannungs- (und Aktienkurs-)Kurve legte die heutige Keynote hin – denn Begeisterung von der ersten bis zur letzten Sekunde war trotz eines beeindruckenden neuen Geräts nicht zu verzeichnen – böse Worte vom digitalen Bilderrahmen mit zu wenig Speicher machten sowohl im Ticker-Chat wie auch in der Macnotes-Redaktion die Runde. Die Aussicht auf das optimale Sofa- und Bettgerät, auf durchdachte, bedienbare Apps und einen unerwartet niedrigen Preis hingegen lassen die Herzen durchaus höher schlagen. Bleibt die Sorge vor den UMTS-Tarifdetails jenseits der USA und das böse Wort „Juni“.

Zum Schluss blieb der – hoch subjektive – Eindruck, dass Apple ein Gerät aus der Taufe gehoben hat, das Potential mitbringt, unser Medienkonsumverhalten nachhaltig zu verändern. Bei allen beeindruckenden Adaptionen der iWork-Applikationen, trotz dem begrüßenswerten Start direkt mit anschließbarer Tastatur – das Apple iPad scheint in erster Linie das Buch, das Magazin und die Zeitung ablösen und die früheren Medienformate dabei nebenher deutlich bis drastisch verändern zu wollen.

Was das Gerät zum Sofa- und Bettbegleiter der Zukunft macht, auch im ÖPNV kann man sich das Gerät bestens vorstellen, und selbstredend ist Apple auf exakt diese Anwendungsfälle bestens vorbereitet – mit Magazinkooperationen, mit dem Bookstore und mit der bereits für die iPhone-Plattform vorhandenen Fülle an Bild- und Printmedien. Spätestens beim Gedanken ans interaktive Magazin bei der Zugfahrt oder der abendlichen Buchlektüre stört auch der breite Rand nicht mehr, der auf den ersten Blick recht unapple-elegant wirkt – denn schließlich will man das Gerät ja auch ordentlich in die Hand nehmen können.

Für diese Anwendungszwecke wird es weniger spannend sein, ob der Prozessor nun auch aktuelle 3D-Engines kann – denn spannender wird vermutlich die Frage, ob Apple einmal mehr schafft, ein Medienformat mit einem innovativen Produkt ins digitale Zeitalter zu befördern. Wie iTunes der CD, könnte hier gerade das iPad dem Buch und dem Printmagazin nicht gerade die Totenglocke, aber zumindest den Übergang in den Long Tail geläutet haben.

Wie auch im Fall von iTunes könnte das Ganze mit erheblichen Zugeständnissen an die Contentanbietern erkauft worden sein. Bleibt zu hoffen, dass Apple hier konsumentenfreundliche Deals und Formate offerieren kann – und ebenso, dass in Sachen 3G/UMTS-Unterstützung die Situation in Übersee bald geklärt ist. „Bis Juni“ will man jenseits der USA ähnlich attraktive Deals wie mit AT&T herausgeschlagen haben. Der wurde auf der heutigen Apple Special Event bereits verkündet und sieht ungelockte iPads vor, die mit unterschiedlichen Prepaid-Tarifen via UMTS ins Netz kommen, wo kein WLan-Hotspot verfügbar ist. Bei Amazon ist das iPad ab heute bestellbar, ebenso das günstige 16GB-Einsteigermodell.

Die Hausaufgaben hat Apple jedenfalls erledigt. Mit dem iPad schafft das Unternehmen möglicherweise sogar den Spagat, auch weniger technikaffine Menschen für ein Hightech-Produkt zu begeistern und sie ganz nebenbei dazu zu bringen, einige vertraute Medienformate in Zukunft digital zu nutzen. Vermutlich aber auf einem ganz analogen Sofa.

(P.S. Andere spontane Assoziationen, wie eure iPad-Nutzung aussehen wird, sind hochwillkommen in den Kommentaren.)


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