Test: Gangstar: West Coast Hustle – Grand Theft Auto auf dem iPhone
Stefan Keller, den 30. August 2009Gamelofts Gangster-Action-Adventure Gangstar: West Coast Hustle hat den Weg in den App Store und damit auf das iPhone und den iPod touch gefunden. Ob der Titel ein vollwertiges GTA oder Saints Row fürs iPhone wurde, klären wir jetzt in unserem Review, dessen Urheber alle verfügbaren GTA-Teile gespielt hat.
Stress an der Westküste
Schauplatz in Spielen dieser Art ist normalerweise Amerikas Ostküste. Die Örtlichkeiten, in denen der Protagonist sein Unwesen treiben darf, sind an Orte wie New York angelehnt. Den buchstäblichen „Gangstar“ zieht es an die West-Küste, genauer gesagt nach Los Angeles. Respekt haben wir noch keinen, denn diesen gibt es eben nicht geschenkt. Wer als Berufskrimineller weiterkommen möchte, muss sich vorher einen Namen machen. Das geschieht ganz in Gangster-Manier: Wir vermöbeln ein anderes Gang-Mitglied und schon haben wir den nötigen Respekt, am blauen Telefon den nächsten Auftrag entgegen zu nehmen.
Aufs Maul
Die Steuerung zollt dem iPhone mit seinem Touchscreen Tribut. Alle Knöpfe, die es zu drücken gilt, sind auf dem Bildschirm abgelegt und ändern sich je nach Kontext. Sind wir gerade zu Fuß unterwegs, findet sich links das Bild eines Analogsticks (wie der des PlayStation-Controllers), der die Richtung angibt, während rechts zunächst nur ein Knopf zum Zuschlagen ist. Nähern wir uns einem Auto, gesellt sich der Button zum Einsteigen dazu.
Leider ist es bei der Steuerung so – besonders auffällig bei Faustkämpfen -, dass es nur „Draufhauen“ gibt. Eine Möglichkeit, etwa Tiefschläge zu verteilen, suchen wir vergebens. Um in Deckung zu gehen, muss der Spieler Reißaus nehmen.
Der Wechsel der Waffen erfolgt durch Antippen der aktuellen Waffe im HUD am oberen Bildschirmrand. Der Wechsel des Radiosenders im Auto funktioniert gleichfalls durch Antippen.
Apropos Steuerung. Wie man sich im Wagen fortbewegen möchte, kann man in den Optionen einstellen. Zur Wahl stehen die Neigetechnik (Standard), sowie ein Bildschirmlenkrad. Beide Varianten funktionieren… irgendwie. Wer ähnliche Spiele bereits kennt, wird wissen, dass Verfolgungsjagden vergleichsweise oft auf dem Stundenplan stehen. Bei diesen wäre es von Vorteil, wenn man geschwind ausweichen könnte. Dafür ist der Bewegungssensor leider zu träge, und insgesamt zu weich eingestellt. Bei moderatem Tempo mag das noch funktionieren, aber mit der Polizei im Heck ist es kaum möglich, in kleinen Gassen einfach zu verschwinden. Mit dem Lenkrad geht das etwas besser, aber leider wirkt insgesamt auch dabei der Lenkradius eingeschränkt. Eine 360-Grad-Drehung des Lenkers ist nicht drin, und entsprechend drehen sich die Räder.
Sind wir hingegen nicht-motorisiert unterwegs, ist der Analogstick eine gute Steuermöglichkeit, solang man nur in eine Richtung laufen will. Für plötzliche 180-Grad-Drehungen ist er nicht geeignet, denn die Spielfigur läuft geradeaus weiter, biegt in eine Kurve ein und läuft dann erst in die Gegenrichtung. Das Problem hierbei ist, dass etwa die Polizei mehr Geschick aufweist, und mit ihrem Schlagstock den Wettlauf beendet hat, bevor sich der Charakter umgedreht hat.
Physik? Vorhanden, aber…
Ein Sandbox-Spiel, wie es Gangstar ist, zeichnet sich dadurch aus, dass der Spieler außerhalb von Missionen machen kann, was er gerne möchte, unter anderem seinen eigenen Wagen zu Klump fahren. Dabei fällt auf, dass eine Art Physik im Spiel enthalten ist, diese aber wohl mit einer anderen Schwerkraft als auf der Erde ausgestattet ist. Ein Frontalaufprall mit einem anderen Auto stoppt beide Beteiligten und lässt unseren Wagen mit den Hinterrädern abheben. Das sieht lustig aus, ist aber nicht sehr glaubwürdig.
Ähnlich äußert sich das Schadensmodell. Es existiert eines, aber die Großzügigkeit der Spielbalance-Abteilung hat jegliche Authentizität über den Jordan geschickt. Die erste Beule konnten wir bei unserem frisch geklauten Sportwagen erst nach dem fünften Autounfall feststellen, wobei wir jeweils mit vollem Tempo aufeinander gekracht sind.
Die Grafik: Auf Augenhöhe mit der PSP
Kollege Alexander Trust hat es in seiner Vorschau schon durchklingen lassen, aber beim Test haben wir für die Bestätigung die PlayStation Portable nebst GTA: Vice City Stories zur Hilfe genommen. Nicht, dass der GTA-Titel die PSP ausreizen würde, doch hat das Spiel eine ansehnliche und funktionale Optik, deren Comic-Look gut ins Setting passt. Gangstar ist auf dem iPhone nah an derselben Grafikleistung dran (Autos haben ein paar Polygone weniger und die Distanzdarstellung ist geringfügig kürzer als auf der PSP), was wir für einen iPhone-Titel als hervorragend bewerten.
Sound: Nicht weltbewegend, aber ok
George Lucas wird zitiert mit den Worten, der Sound würde die Hälfte eines Filmes ausmachen. Diese Regel gilt genauso für Spiele, und Gangstar macht eigentlich nicht viel falsch. Die musikalische Untermalung, etwa beim Briefing mit den Gang-Kollegen, ist stimmig. Oben drauf kommen fünf Radiosender, die während einer Fahrt im Auto die Laune verbessern. Wem das nicht reicht, der kann auch die iPod-Funktion bemühen und seine eigene Musik hören. Weniger schön finden wir die Sprachausgabe, die in der Vorabversion noch existierte. In der Final-Version aus dem App Store haben wir nichts von ihr mitbekommen. Dass eine deutsche Synchronisation nicht zu erwarten ist, wurde bereits angekündigt, dochno der englischen trauern wir ein Stück weit nach.
Aggressive Mitmenschen
„Was ist das nur für ein Land, in dem ich nicht mal mit meinem Raketenwerfer auf Autos schießen darf!“, kommentierte Dennis Richtarski auf dem ehemaligen Gaming-Sender GIGA die Tatsache, dass er wegen eben jener Tat verhaftet wurde, als er GTA IV vorstellte. Verglichen damit sind es regelrechte Lappalien, wegen denen NPCs durchdrehen. Im Test hat es bei uns mehrfach gereicht, einen fremden(!) Wagen zu rammen, um die Leute aussteigen zu lassen. Infolgedessen wurden wir aus unserem Auto gezogen und verprügelt. Leider kommt hier wieder die relativ eigenwillige Fluchtsteuerung zum Tragen, sodass wir nicht selten im Krankenhaus gelandet sind – oder zumindest viel Energie verloren haben.
Final-Version?
Wenn ein Programm veröffentlicht wird, könnte man annehmen, es sei fertig. Gerade auf Konsolen könnte man eigentlich erwarten, dass zumindest keine offensichtlichen Fehler mehr enthalten sind. Erschrocken stellten wir fest, dass die vermeintlich fertige Version sogar noch mehr Fehler enthält als die Vorabversion. Bereits der erste Aufruf machte nicht gerade Lust auf das Spiel. Das Intro-Video lief noch flüssig, doch der Start des Spiels dauerte beinahe drei Minuten. Es folgte eine Cut-Scene, die den Spieler ins Spiel einsteigen lassen sollte. Das ging jedoch gründlich in die Hose, denn immer wieder gab es Aussetzer, die zum Teil bis zu 30 Sekunden anhielten, in Audio und Video. Alexander konnte sich nicht erinnern, das bei der Beta-Version auch erlebt zu haben.
Die Lösung bestand dann darin, das iPhone 3G, das als Testgerät herhielt, neu zu starten. Das hat die meisten Aussetzer eliminiert, Ruckler sind uns dennoch stellenweise aufgefallen.
Eine regelrechte Katastrophe ist die Kollisionsabfrage. Es scheint, als wären Autos, NPCs (Non-Player-Character) und Häuser das Einzige, woran man anstoßen könnte. Durch Bänke, Bäume, Ampeln, Hydranten und andere „Deko-Artikel“ (denn zu mehr dienen sie in dem Fall nicht) konnten wir reproduzierbar durch die Bank weg hindurchlaufen oder -fahren.
Fazit
Ehrlich gesagt sind wir enttäuscht. Ein GTA-artiges Spiel für das iPhone hätte sicher viele Spieler angesprochen. Dass ein solcher Titel nicht zwingend von Rockstar Games kommen muss, zeigt uns Volition, Inc. mit Saints Row. Die Beta, die sich Alex anschauen durfte, versprach viel, die fertige Version hielt jedoch kaum etwas – zumindest nichts, was die Beta nicht auch schon konnte. Gerade von Gameloft sind wir Programme mit einer höheren Qualität gewohnt. Bis die Probleme behoben und ggf. Gimmicks wie Sprachausgabe nachgereicht wurden, müssen wir leider ein „relativ“ vernichtendes Urteil abliefern. Schade, denn mit etwas mehr Sorgfalt wäre eine wesentlich höhere Wertung drin gewesen. Ein vernünftiger GTA-Klon steht noch aus und Gangstar: West Coast Hustle hätte absolut das Zeug dazu gehabt, diese Lücke zu schließen.
Um es kurz klarzustellen: Das Urteil impliziert nicht, dass der Titel unspielbar ist, aber die vielen kleinen Ungereimtheiten, die zu allem Unglück in der Beta zum Teil auch noch sauberer funktionierten, werten das Spiel Stück für Stück ab, leider.