Review: Destination: Treasure Island – kaum Zeit, seekrank zu werden
Alexander Trust, den 5. März 2009Ende Februar hatte Coladia, ein Entwicklerstudio aus Frankreich, Mac-Nutzern den Gefallen getan, ein weiteres Adventure in den leider noch überschaubaren Macintosh-Spielesand auszustreuen. Beim Spielen von Destination: Treasure Island bekommt der Spieler allerdings das Gefühl, als rinne ihm die Zeit davon…
Der Grund dafür ist schnell erläutert: Das Point and Click-Adventure ist viel zu schnell vorbei. Wenn ich nun mit dem sicherlich größten Manko begonnen habe, könnte ich mir das Beste für den Schluss aufheben. Doch so einfach ist es nicht, denn das Abenteuer rund um die Erzählung von Robert Louis Stevensons Roman die Schatzinsel ist zwar mit Ecken und Kanten ausgestattet, verfügt aber in meinen Augen über kein richtiges Highlight.
Hochglanzoptik
Ins Auge fällt mit Sicherheit die Grafik des Spiels. Es handelt sich in weiten Teilen um gerenderte Figuren vor hochglänzendem Hintergrund. Wenn man zum ersten Mal hinsieht, ist man geblendet. Erlaubt man sich einen zweiten Blick, kommt einem doch alles ein wenig zu steril und glänzend vor. Destination Treasure Island ist kein Abenteuer, bei dem man sich allzu frei herum bewegen könnte. Es folgt den klassischen Pfaden der Point and Click-Adventure. Gegen übermächtige Piratenkonkurrenz aus dem Hause Lucas Arts hat so ein moderner Titel aber keine Chance zu bestehen, auch oder vielleicht gerade wegen der barockhaften Grafik. Einige der Zwischensequenzen werden in Form von comichaften Einblendungen unterstützt, und letztlich gibt es sogar einige gerenderte Videosequenzen, die relativ passabel dreinschauen.
Mädchenhafter Held
Besonders unvorteilhaft ist übrigens die Figur des Helden Jim Hawkins dargestellt. Natürlich soll er jugendlich wirken, doch schaut sein Gesicht sehr mädchenhaft aus, bald schon wie Pinocchio. Allzu lebendig wirken die Spielfiguren jedoch alle nicht. Die Gesichtszüge und die animierte Mimik sind kaum dazu angetan, die Atmosphäre zu verstärken, oder aber besonders realistisch zu wirken. Maßstab sollte hier die gewählte Form sein, finde ich. Hätte man sich durchweg für eine Comicgrafik entschieden, wie beispielsweise in dem Genrevertreter Baphomets Fluch aus den 90ern, hätte kaum jemand das Thema Realismus auf die Tagesordnung der Prüfungspunkte gesetzt. Gelegenheitsspieler werden durch die Rendergrafik mit Sicherheit geblendet, und finden sie toll. Adventure-Liebhaber hingegen lässt so etwas kalt. Sie sind auf ganz andere Dinge fixiert.
Kaum Spielwitz
Die Story eines Adventures ist ein Element, über das die Entwickler bei den Spielern ein Stein in deren Brett hätten bekommen können. Doch wie bereits angedeutet ist die relativ schnell vorbei. Nicht einmal 10 Spielstunden reichen aus, um den Zenit des Abenteuers zu erleben. Dieser ist wiederum relativ unspektakulär gestaltet. Die Gesprächssituationen nehmen keinen Einfluss auf das Spiel und die Dialoge wirken wie aus einer Abenteuergeschichte für Kinder (und Jugendliche). Passend zum Hintergrund der Romangeschichte, aber kaum geeignet, um als interessantes Alleinstellungsmerkmal gelten zu können.
Puzzle und Inventar
Interessant hingegen sind die Puzzle im Spiel. Anhand von verrätselten Notizen versucht man sich mit der eigenen Kreativität und Anteilen an Logik bis ins Ziel zu retten. Es gibt einfachere Puzzles und sogar sehr anspruchsvolle, die einem zunächst abverlangen, ein bisschen über den Dingen zu brüten. Dazu kommt ein Inventar in dem man Gegenstände miteinander kombinieren kann oder sie entsprechend in ihre Einzelteile zerlegt. Diese kann man wiederum mit anderen Gegenständen kombinieren und muss man manchmal sogar, um im Spiel weiter zu kommen. Weniger anspruchsvoll sind hingegen die Knoten, die man manches Mal knüpfen muss. Wer sich in der Seemannssprache nicht auskennt, der versucht einfach solange durch Klicken heraus zu bekommen, wie man den Knoten richtig knüpft. Das ist so schwer nicht, weil die Varianten relativ begrenzt sind.
In Sachen Inventar ist das Schatzinsel-Adventure im übrigen genauso unrealistisch wie manch Horror-Survivalvertreter (Resident Evil, Silent Hill). Milchbubi Jim Hawkins mutiert kurzerhand zu Superman. Er verfügt über 5 verschiedene Inventarreiter, in denen er jeweils gut und gerne 30 Gegenstände unterbringen kann. Er trägt irgendwann Spitzhacke, Kanonenkugel und vieles mehr mit sich herum, scheint aber unter dem Gewicht nicht zusammen zu brechen. Eine Soundkulisse ist zwar vorhanden, allerdings wiederholen sich viele Versatzstücke recht schnell.
Fehler im Detail
Zu dem insgesamt durchwachsenen Eindruck gesellen sich ein paar Fehler im Detail. Hin und wieder traten Grafikfehler auf, die vielleicht daher rühren, dass ich auf meinem System mehr als einen Monitor installiert habe. Dazu kamen aber kleinere Fehler in der Übersetzung. An manchen Stellen passen die Untertitel nicht zum gesungenen oder gesprochenen Text. An anderen Stellen hat man schlichtweg vergessen, die Stellen zu synchronisieren. Dass dies nicht gewollt war, merkt man recht schnell. Beispielsweise wenn man im Dialog den Papagei dazu bringen muss auf einer Stange so weiter zu wandern, bis er einen Sack voller Münzen herunterfallen lässt. Er bewegt sich immer dann weiter, wenn man ihm den nächstfolgenden Satz vorsagt, der in einer Strophe eines Piratenliedes auftaucht. Während beim ersten Mal der Flattermann noch auf Deutsch krächzt, tut er es beim nächsten Mal wieder nur auf Englisch. Das geht einem noch an anderen Stellen im Spiel so, immer dann, wenn zusammen oder alleine gesungen wird.
Steuerung und Hardware
Kurz noch ein paar Worte zur Steuerung. Wir befinden uns mit der Spielfigur praktisch immer im Zentrum einer Art 360 Grad-Grafik, und indem wir die Maus bewegen, bewegen wir unseren Blick. Wer gerne die Maus kreisen lässt, wird vielleicht hin und wieder sogar seekrank davon. Der Mauszeiger verändert sich immer dann, wenn wir mit Objekten der Umwelt interagieren können, und hin und wieder gibt es lebendiges Getier, dass die Flucht ergreift, wenn wir mit der Maus darüber fahren. Das allerdings in vorgegebenen Bahnen und immer wieder – nicht wirklich interaktiv. Flora und Fauna sollen was her machen, sind aber, wie in einem teuren Porzelanladen, nicht zum Anfassen gedacht. Die Bewegungsmöglichkeiten sind extrem eingeschränkt auf alle vier Himmelsrichtungen, wenn diese im aktuellen 360-Grad-Panorama überhaupt möglich begehbar sind.
Coladia lobt für das Adventure als Minimalanforderung einen Power Mac G5 mit 1,6 GHz, 512 MB Arbeitsspeicher und Mac OS X 10.4 aus. Als Empfehlung gelten ein Intel-Mac mit 2,0 GHz, 1024 MByte Arbeitsspeicher und 64 MByte Videospeicher. Eine Demoversion steht für all diejenigen zum Download (als Universal Binary, 501 MByte groß) bereit, die sich von meinem Review nicht haben abschrecken lassen. Wer zudem einige Bewegtbilder erleben will, für den hält Coladia einen Videotrailer bereit.
Fazit
Ich ziehe ins Kalkül meiner Bewertung mit ein, dass es unterschiedliche Spielergruppen gibt, und Gelegenheitsspieler von Destination: Treasure Island angetaner sein könnten als Adventure-Liebhaber. Auf jeden Fall hervorzuheben sind die Rätsel und Aufgaben des Spiels. Sie stechen positiv heraus. Diese retten dem Vertreter aus Point und Click von Coladia quasi die Haut. Angesichts des Preises von 34,90 Euro sollte sich aber jeder gut überlegen, ob er tatsächlich so viel Geld für so ein äußerst kurzfristiges Vergnügen ausgeben möchte, zumal es praktisch keinen Wiederspielwert gibt. Dass man sich hier auf Robert Louis Stevenson beziehen kann, macht in meinen Augen keinen Unterschied aus. Viel eher noch denke ich, dass man dem Autor und seinem Roman mit diesem Spiel nur wenig gerecht wird.