iPhone statt Kiffen: Brian Enos Ambient-App „Bloom“
rj, den 11. Oktober 2008Vorsicht, Glosse!
Es soll Leute geben, die mögen sowas. Auch beim ORF sind sie zu finden, und da wir keine Vorurteile gegen Österreicher pflegen, folgten wir einer Empfehlung der Futurezone, die Brian Enos Applikation „Bloom“ fürs iPhone auf entspannte, ausgeglichene und dennoch nachdrückliche Weise lobten. Ein „Ambient-Instrument“ werde das iPhone nach der Investition von knappen drei Euro im App Store, und wenn man damit immerhin den musikalischen Geist des Ambient-Gottes Brian Eno mit sich herumtragen kann, dann klingt das wie ein fairer Deal.
Der erste Eindruck
„Bloom“ läßt sich durch Antippen des Touchpads bespielen, klimpert aber auch autonom aufs allerliebste repetetiv-entspannt vor sich hin und konfrontiert den Nutzer mit Pastell-Farbverläufen, die alten Web2.0-Hasen schnell die Tränen in die Augen treiben. Die Möglichkeit, durch Schütteln die aktuelle „Komposition“ aus dem iPhone herauszuschütteln, um neue Klänge entstehen zu lassen, kommt einem binnen kürzester Zeit bei weitem zu aggressiv und unangemessen vor. Der Shuffle-Modus hingegen wirkt erfreulich unaufdringlich, wirkliche Unterschiede zwischen den neun möglichen „Moods“ sind entweder nicht vorhanden oder werden schon nach kurzem Hören nicht mehr aktiv wahrgenommen.
Tatsächlich stellte sich nach kurzem ein typischer Effekt ein, der dem einen oder anderen Konsumenten bewusstseinsverändernder Drogen bekannt vorkommen könnte. Die Investition der drei Euro begann recht zügig an Bedeutung zu verlieren, eine gewisse „Egal-Haltung“ kehrte ein. Nach einigen Minuten des aktiven Bespielens von „Bloom“ tauchen seltsame Ideen wie jene im Hirn auf, dass die Möglichkeit zwar nett, aber nicht ausreichend ist, Töne nur durch Antippen des Touchscreens erklingen zu lassen. Man verspürt beispielsweise den Wunsch nach einem „Maniac-Mode“, der einen auch Wischgesten vollführen lässt, die dementsprechend klingen und den Screen passend einfärben usw..
Entspannter und damit auch besser zur Applikation passend ist der autonome Modus, in dem „Bloom“ selbständig Klänge erzeugt, wiederholt und wechselt. Zu diesem Zweck bauten wir die Büroklammer-Halterung für das iPhone nach und stellten das Ambient-iPhone an den Arbeitsplatz. Auch im Querformat funktioniert „Bloom“, die Koordinaten des Touchscreens ändern sich indes nicht. Das nahmen wir jedoch mit der uns innewohnenden Gelassenheit hin.
Die Wirkung
Eine entspannende Wirkung ist natürlich stark von der Aufgeschlossenheit des Konsumenten abhängig. Während sich bei manchen Menschen die sachte Lautuntermalung beruhigend und entspannend auswirkt, bleiben andere vollkommen unberührt. Auch Aggressivität ist gelegentlich zu beobachten, ich zitiere wörtlich eine beispielhafte Reaktion beim Selbstversuch: „Wenn du jetzt mit so ner Eso-**** da an*****, dann töte ich dich.“ Es gilt, wie bei allen entspannungsfördernden Techniken: Das Umfeld ist wichtig und muss gegebenenfalls dem Vorhaben angemessen ausgewählt werden.
Womit als mögliche Einsatzgebiete die Situationen in der Regel wegfallen, in denen man ein wenig Nervenstärkung und -beruhigung am nötigsten hätte. Bei einer nicht repräsentativen Umfrage zu möglichen Eno-Konsumierungsorten fielen die Begriffe „Sauna“, „Bett“, Badewanne“ oder „Sofa“, gegebenenfalls unterstützt durch die Anwendung aromatisch duftender Substanzen. An sich alles keine schlechten Ideen, alle Orte zeichnen sich aber durch ein von vorne herein gegebenes niedriges Stresslevel aus. Optional dazu also „Bloom“ – nun, wems gefällt.
Versuch eines Fazits
Wirklich praktisch ist Enos Applikation, wenn man das Kabel vergessen hat und Bilder per SSH vom iPhone ziehen will. Kein umständliches Abstellen des Auto-Power-Off mehr, einfach die Ambient-App geöffnet, und das iPhone ist verlässlich und dauerhaft unter seiner IP zu erreichen. Nur klimperts nebenher immer ein wenig. Bei abwesenden Kollegen eine durchaus erträgliche Nebenwirkung.