DWDL: Premiere am Pranger mit Leserbriefen from Hell
Alexander Trust, den 10. März 2006Premiere am Pranger! Das „Medienmagazin“ DWDL möchte gerne für alle sprechen, tut es aber nicht. Auf der Webseite sind eine Vielzahl Informationen gut aufbereitet. An manchen Ecken und Enden lässt es jedoch bei den journalistischen Tugenden zu wünschen übrig, wie man nun merkt am Beispiel des Pay-TV-Anbieters merkt.
Leserbriefe gießen Öl ins Feuer
Im Print werden regelmäßig Leserbriefe abgedruckt. Was für eine Zeitschrift recht und billig erscheint, kann für ein Onlinemagazin wie DWDL nur gut sein, oder? Das Magazin verfügt über eine gesonderte Unterseite, die sich den Einsendungen der Leser annimmt.
Kein Weitblick bei Vorauswahl
Ein Clipart-Megaphon vor einem Matterhorn signalisiert dem Leser, dass er im Bereich der lautstarken Äußerungen angekommen ist. In vielen Publikationen bleiben Leserbriefe häufig unbeantwortet. Denn in den meisten Fällen sprechen die Einsendungen für sich. Dies liegt größtenteils an der Vorauswahl, die von den Redakteuren getroffen wird.
Ganz anders offenbar bei DWDL. Dort hat man nicht die Zeit gefunden, die Leserbriefe entscheidend zu filtern. Der Bildausschnitt im Screenshot belegt die Sinnlosigkeit dieser Leserbriefecke bei DWDL. Gehaltvollere Beiträge scheinen ausgesiebt zu werden. Was nicht passt, wird auch nicht passend gemacht. Wie gut zu erkennen ist, haben die dortigen Einträge alle in etwa den gleichen Umfang an Zeichen. Das wirkt auf den geneigten Leser befremdlich.
Einsendungen ohne Tiefe und Wahrheit
Der erste Leserbrief zu einer Kontroverse um Premiere ist nicht viel mehr als eine Anhäufung von Fragen. Die sind nicht unnütz, bleiben aber unbeantwortet.
Nicht viel mehr Geschick bei der Auswahl zeigt der zweite Leserbrief zum Thema. Dort schreibt ein 55-jähriger Leser aus Augsburg, dass Premiere „Millionen“ von Kunden kündigen würden. Dies geschieht, da die Übertragungsrechte an der Fußball-Bundesliga verloren gingen. Der Leser sieht deshalb Premiere am Pranger. Die Behauptung allerdings ist mehr als unwahrscheinlich. Der Pay-TV-Anbieter verfügt nämlich über nicht viel mehr als 2,7 Millionen zahlende Abonnenten. Der Verfasser des Leserbriefs spricht jedoch vom Plural. Er meint also mindestens zwei Millionen Kunden.
HDTV-Einstieg misslungen
DWDL berichtete über den enttäuschenden Einstieg Premieres in die HDTV-Ära. Es wurde der Weg skizziert von der ersten Ankündigung auf der Internationalen Funkausstellung bis zum ersten Sendebetrieb. Der wurde mangels fehlender Hardware (Empfangsgeräte) von Premiere einige Male nach hinten verschoben. Der erste Sendebetrieb war ein reiner Testbetrieb.
Die Hersteller solcher HDTV-Receiver wurden mit ihrer Produktion nicht rechtzeitig fertig. Dies wird jedoch Premiere einseitig angelastet. Kritisiert wird außerdem das maue Angebot. Bislang gibt es nur drei HDTV-Kanäle. Die strahlen zudem, wenig abwechslungsreich, Wiederholungen aus. Das ernüchternde Fazit lautet: Bislang würden nur wenig Kunden von dem Angebot Gebrauch machen. Dies ist abermals unberechtigte Kritik.
Kritik bleibt ohne Antwort
Bevor ich diesen Beitrag verfasste, schrieb auch ich einen Leserbrief. Darin schilderte ich genau das Verständnis dieser einseitigen Darstellung. Eine Antwort habe ich bislang nicht erhalten. Vielleicht schickt es sich nicht, Leuten zu antworten, die zurecht darauf hinweisen, dass andere Sender (z. B. ProSieben, öffentlich-rechtliches Fernsehen) selbst nur spartanische HDTV-Signale ausstrahlen. Das Angebot aus Unterföhring wirkt dagegen geradezu opulent. Es wäre fairer gewesen, die DWDL-Leser darüber in Kenntnis zu setzen.
Premiere am Pranger dank Deutscher Bank
Wenn man die Medaille wendet, kommt man vielleicht zu einer anderen Beurteilung. Zu einer wie dieser: Eine simple Beurteilung eines ehemaligen Deutsche-Bank-Managers machte die Visionen Leo Kirchs zunichte.
Als Leser von DWDL haben mich diese Erfahrungen irritiert. Ich werde in Zukunft noch genauer hinsehen.